Jürgen Frauenfeld - 05.10.2017
Mein Nachruf für Albert Speer hebt seine liberale Einstellung und seine Bereitschaft zum Delegieren hervor, in einer Zeit, in der die meisten Büros noch streng paternalistisch geführt wurden. Er hat früh die Vorteile von Partnern gegenüber Angesellten erkannt, was Einsatz und Motivation angeht. Gewiß hat dabei auch der antiautoritäre Zeitgeist zu Beginn der 70 er Jahre eine Rolle gespielt. Wir Partner konnten jedenfalls selbständig acquirieren und arbeiten, Speer war demokratisch gesonnen und ließ einem alle Freiheit, allerdings vereinnahmte er die Meriten und vor allem die Publicity für sich allein. Dann waren wir nur Wasserträger. Nun ja, wir kannten ja seine Lebensgeschichte, wußten, daß er unbedingt aus dem Schatten seines Vaters heraustreten und seinen eigenen Ruhm als Architekt begründen wollte. Tragischerweise versagte der seinem Sohn zeitlebens die Anerkennung. Da in der Konstellation für ihn nur der Erfolg zählte, ging er unvoreingenommen und pragmatisch ans Werk, erkannte früh erfolgversprechende Trends und blieb erfrischend undogmatisch. Sein größtes Talent war sicherlich seine Fähigkeit, strategisch zu denken, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und das Ganze im Blick zu behalten. Kopfgeburten und Intellektuelles waren ihm fremd, er bevorzugte die Bildersprache und war damit, wenn man so will, seiner Zeit voraus. Auch wenn er meist aus dem Bauch heraus entschied, scheute er keine Diskussion, wobei er stets bemüht war, fair und auf Augenhöhe zu argumentieren. Für mich war er stets eine angenehmer Begleiter, weltgewandt und abenteuerlustig, wenn wir zusammen nach Nigeria, Libyen, Nepal oder Saudi Arabien reisten.